„Versteckte“ AU-Klausel in den meisten BU-Bedingungswerken? 

(Auch veröffentlicht im AssCompact Newsletter vom 13.01.2016)

Einige Versicherer haben in ihren Bedingungswerken eigene Regelungen als Leistungseinstieg in die Berufsunfähigkeitsrente bei Arbeitsunfähigkeit. Die meisten BU-Versicherer wollen aber ganz bewusst diese sogenannte AU-Klausel oder „Gelber-Schein-Regelung“ nicht in ihren Bedingungswerken verankern, da diese für sie nicht oder nur schwer kalkulierbar ist.

Fest steht, dass die AU-Klausel beim Leistungsantrag eine wesentliche Erleichterung für den betroffenen Kunden dahingehend darstellt, dass er schneller an eine monatliche Zahlung seiner Rente kommt.

Der GDV hat jüngst in einer nicht unumstrittenen Veröffentlichung mitgeteilt, dass die durchschnittliche Bearbeitungsdauer der Gesellschaften zwischen vollständigem Leistungsantrag und Leistungsentscheidung 13 Kalendertage dauert. Aus eigener Erfahrung ist diese Schnelligkeit eher selten der Fall, daher bezweifle ich diese Zahl! Insofern ist die Unterstützung durch die AU-Klausel für den Anspruchserhebenden sehr hilfreich.

Versicherten, deren bestehendes BU-Bedingungswerk keine AU-Klausel vorsieht, und die länger als sechs Monate arbeitsunfähig sind, könnte ein Urteil des Landgerichts (LG) Dortmund aus dem Jahr 2014 sehr hilfreich bei Leistungsanträgen sein.

Klausel zur fiktiven BU

Der überwiegende Teil der BU-Versicherer verwendet neben der normalen Definition zur Berufsunfähigkeit zusätzlich eine Klausel zur fiktiven Berufsunfähigkeit. Das bedeutet: Kann nicht festgestellt werden, dass die Berufsunfähigkeit voraussichtlich sechs Monate ununterbrochen andauern wird, so gilt es als Berufsunfähigkeit von Beginn an, wenn die Berufsunfähigkeit gemäß § 2 Absatz 1 und 2 tatsächlich länger als sechs Monate angedauert hat.

Dies hat das LG Dortmund mit Urteil vom 06.02.2014 (Az.: 2 O 249/13) zum Anlass genommen einen Versicherer mit einem fingierten Leistungsanerkenntnis zur Zahlung zu verurteilen. Aus dem Urteil:

„…Nach diesen ärztlichen Berichten und Gutachten, die die Beklagte ihrer Leistungsentscheidung zugrunde gelegt hat, bestand für einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten ununterbrochener Arbeitsunfähigkeit der Klägerin in ihrem Beruf als Arzthelferin. Diese, die Prognose bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit ersetzende sogenannte fiktive Berufsunfähigkeit gemäß § 2 der vereinbarten BUZ 92, gilt von Beginn an als Berufsunfähigkeit, so dass zum Zeitpunkt der Leistungsentscheidung der Beklagten die vereinbarten Voraussetzungen für ein bedingungsgemäßes Leistungsanerkenntnis durch die Beklagte vorlagen…“

Und weiter: „…Gibt aber der Versicherer ein nach den Bedingungen gebotenes Leistungsanerkenntnis nicht ab, wird sein gebotenes Anerkenntnis fingiert mit der Folge, dass der Versicherer verpflichtet ist, die bedingungsgemäßen Leistungen – im vorliegenden Fall monatliche Rente und Beitragsbefreiung – zu erbringen…“

 

Unbeabsichtigt: „fiktive“ AU-Klausel

Das heißt, die durchgängig bescheinigte Arbeitsunfähigkeit über sechs Monate kann ein Nachweis sein, dass der letzte Beruf vor der Erkrankung zu 100% nicht ausgeübt wurde.

In diesen Fällen sagt das LG Dortmund: „Ist nach den von einem Versicherer seiner Entscheidung zugrunde gelegten ärztlichen Berichten von einer mehr als sechsmonatigen Arbeitsunfähigkeit auszugehen, wird ein Leistungsanerkenntnis fingiert“ (Leitsatz). Mit der Folge, dass das Gericht den Versicherer so stellt, als hätte er ein Leistungsanerkenntnis abgegeben.

Von diesem kann sich der Versicherer dann nur noch über ein Nachprüfungsverfahren lösen, das für den Versicherten wesentlich besser ist. Aus meiner Sicht haben somit über das fingierte Leistungsanerkenntnis fast alle Versicherer eine „fiktive“ AU-Klausel in ihrem Bedingungswerk. Ob sie nun wollen oder nicht!

Gegenüberstellung der Regelungen zur AU und BU

 

Arbeitsunfähigkeit
Berufsunfähigkeit
Arbeitsunfähigkeit liegt vor, wenn der Versicherte auf Grund von Krankheit seine zuletzt vor der Arbeitsunfähigkeit ausgeübte Tätigkeit  nicht mehr oder nur unter der Gefahr der Verschlimmerung der Erkrankung ausführen können.
Bei der Beurteilung ist darauf abzustellen, welche Bedingungen die bisherige Tätigkeit konkret geprägt haben.
1. Vollständige Berufsunfähigkeit  liegt vor, wenn die versicherte Person infolge Krankheit, Körperverletzung  oder mehr als altersentsprechenden Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich auf Dauer (alternativ: mind. x Monate / Jahre) ihren zuletzt ausgeübten Beruf – so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung  ausgestaltet war, nicht mehr ausüben kann und außerstande ist, eine andere Tätigkeit auszuüben, zu der sie aufgrund ihrer Ausbildung und Fähigkeiten in  der Lage ist und die ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht
2. Teilweise Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die in Absatz 1 genannten Voraussetzungen nur in einem bestimmten Grad voraussichtlich dauern erfüllt sind
3. Ist die versicherte Person x Monate ununterbrochen infolge Krankheit, Körperverletzung oder mehr als  altersentsprechenden Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind,  vollständig oder teilweise außerstande gewesen, ihren zuletzt ausgeübten  Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, oder  eine andere Tätigkeit auszuüben, zu der sie aufgrund ihrer Ausbildung und  Fähigkeiten in der Lage ist und die ihrer bisherigen Lebensstellung  entspricht, gilt die Fortdauer dieses Zustandes als vollständige oder  teilweise Berufsunfähigkeit.
Quelle: Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschußes über die   Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit
Quelle: § 2der Musterbedingungen Berufsunfähigkeit 2008
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